Eine neue Agora für die Buchbranche Wie lässt sich die Debatte über Verlagsgeschäft und Buchmärkte (und Konferenzen) neu denken?

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Wie oft fragen Verleger ihre Praktikanten um Rat?“ Sara Sargent von Penguin Random House warf die Frage provokativ und doch mit einem Lächeln in ihrer Eröffnungsrede am Publishers‘ Forum in Berlin ins Auditorium. Welche Gelegenheiten haben Buchmenschen, Neues zu lernen über junge Zielgruppen, die nahtlos zwischen Lesen, Binge-Watching, Spielen, Chatten, SMSen und Posten wechseln, und die ohne Reue Lesen und Bücher zu mixen mit all den anderen Dingen, die ihren Alltag ausmachen?

Wie und wo und von wem lernen Buchmenschen? Diese Frage treibt mich heute um, anlässlich der Einstellung des Publishers‘ Forum nach 16 Jahren, und nach unzähligen Gesprächen über mehrere Monate mit Kollegen und Freunden, die ähnlich feststellten, dass unsere Branche neue stimmige, offene und wirkungsvollere Plattformen und Formate benötig, um ihre strategischen und praktischen Perspektiven zu reflektieren:

  • Verunsicherung durch die Transformation der Buch- und Medienmärkte und der Rolle des Lesens;
  • Verständnis für neue Zielgruppen und deren veränderte Präferenzen, nicht nur betreffend Bücher und Lesen, sondern in deren Zugang zum neuen „Story Telling“, zu Unterhaltung, Lernen und Wissen;
  • Lehren aus erfolgreichen wie auch aus fehlgeschlagenen Experimenten und Innovationen;
  • Strategien, um das Verlagsgeschäft rundum neu zu denken, ohne die Basis des bestehenden Brot-und-Butter Geschäfts deshalb aus den Augen zu verlieren.

Es gibt zahlreiche Anstöße und Gründe, die Fachdebatten der Buchbranche neu anzulegen:

  1. Wir brauchen bessere Formate.
    Die übliche Mischung aus Keynotes, Podien und Workshops resultiert in Debatten, die entweder zu allgemein, oder zu kleinteilig sind, und nur selten beitragen, neue Einsichten und Erfahrungen übergreifend über Sektoren und Hierarchien hinweg zu gewinnen;
    Zu wenig inhaltliche Aufmerksamkeit geht in den Vorlauf der Veranstaltungen, und noch weniger in die Nachhaltigkeit, sobald der Alltag das neu Gelernte rasch verschluckt;
    Der meiste finanzielle Aufwand gilt bisher Flügen, Hotels und schicken Veranstaltungsorten. Es braucht eine intelligente Mischung aus gemeinsamer Arbeit vor Ort und auch, davor und danach, innovativer digital unterstützter Informationsaufbereitung und deren ergänzender Vermittlung Online.
  2. Die Zusammensetzung der Teilnehmenden muss aufgebrochen werden.
    Funktion, Status und Erfahrungshintergrund der Teilnehmenden sind zumeist viel zu ähnlich, und verhindern Überraschungen und Entdeckungen über die gewohnte Komfortzone hinaus.
    Diversität und Inklusivität, also die Vielfalt nach Gender, Kultur und Herkunft, haben zentrale Relevanz für die Branche, aber die veränderte demografische Struktur unserer Gesellschaften spiegelt sich kaum in den Zusammenkünften von Buchmenschen.
    Fakten und Analysen aus anderen – benachbarten oder völlig fremden – Branchen sollten selbstverständliche Zutaten sein, und nicht bestenfalls peripherer exotischer Kick.
  3. Kollaboration muss zum Organisationsprinzip werden.
    Wie gelingt es, dass sich die Stakeholder selbst als Akteure, und nicht als passive Kunden in den Debatten und Veranstaltungen betrachten?
    Wie gelingt ein interaktiver Mix aus Experten, Bildungseinrichtungen der Branche und Praktikern?
    Wie lassen sich konkrete Erwartungen und Erkenntnisziele der Stakeholder in ein Gestaltungsprinzip für die Debatten und Veranstaltungen verwandeln?

Nach einschlägigen Erfahrungen seit 1995, als Koordinator für Österreich als Ehrengast in Frankfurt, Kommunikations-Chef der Buchmesse, International director der BookExpo America und nun für sechs Jahre als Direktor des Publishers‘ Forum, bin ich überzeugt: Wir müssen zurück ans Zeichenbrett, und die Agora der Buchbranche neu entwerfen.

Helfen Sie mit die Diskussion zu eröffnen, teilen Sie Ihre Gedanken unter agora@wischenbart.com, und ermöglichen Sie uns, diese Inputs unter www.booklab.info branchenweit zugänglich zu machen.

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