Hinter der Absage der Leipziger Buchmesse wird das Auseinanderdriften der Buchbranche unübersehbar.

Alle kommen nach Frankfurt, weil alle nach Frankfurt kommen.“ Auf diese bewusst zum Kalauer zugespitzte Formel verständigten wir uns intern, als ich 1998 als Pressesprecher mithalf die 50. Frankfurter Buchmesse vorzubereiten.

Leipziger Buchmesse Veranstaltung Wir lieben das Lesen.

Für Leipzig galt Ähnliches, mit leicht unterschiedlicher Fokussierung auf das „Fest der Literatur“. Doch mit einem Mal geschah das nicht Vorgesehene: Es kamen nicht ‚Alle‘. Etwas war mit einem Mal verrutscht. Aber was?

Als Oliver Zille als Direktor der Leipziger Buchmesse Mitte Januar seine bisherigen Aussteller per Fragebogen anschrieb, antworteten 83 Prozent – was einer ungewöhnlich hohen Rücklaufquote entspricht -, von denen wiederum 80 Prozent angaben, „auf jeden Fall weiter dabei zu sein“, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Am 31. Januar lag die Zusage immer noch bei 75 Prozent an Zusagen. Doch am 9. Februar sah sich Zille gezwungen, die Messe abzusagen, weil eine ausreichend repräsentative Zahl an Teilnehmenden nicht mehr gewährleistet schien.

Um beim Kalauer zu bleiben: Alle wären dabei gewesen, wenn alle dabei gewesen wären. Doch kaum zeigten sich Risse im Konsens, war plötzlich alles anders. Ein brutaler Realitätsschock, der eine genauere Betrachtung erfordert.

  1. Die vielen Lesenden und Schreibenden

Beim Besuch der bislang letzten Leipziger Buchmesse im März 2019 fiel mir plötzlich auf, wie deutlich sichtbar hier viele völlig unterschiedliche – und auch äußerlich unterscheidbare – Gruppierungen von Lesenden (und Schreibenden und die Büchermachenden) sich in und zwischen den Messehallen tummelten. Ich begann zwischen den unterschiedlichen Bühnen hin und her zu wandern und jeweils das Publikum zu fotografieren.

Nicht allein die schon zum Messe-Selbstbild zählenden Cosplayer sprangen ins Auge. Auch die Fans vor der Fantasy Bühne, jene bei den Romance Autorinnen, die Gruppe der an literarischen Übersetzungen Interessierten und natürlich die Fanartikel Sammelnden im Seitenbereich vor den eigentlichen Messehallen bildeten jeweils sich fein voneinander unterscheidende „Demographien“.

Denn es entstand in den letzten Jahren eine besondere Qualität in Leipzig, für diese Endkunden jeweils gut erkennbare Unterbereiche zu entwickeln.

Offensichtlich ging es den Veranstaltern hier im Weichbild um diese unterschiedlichen Lesenden, und um die Schreibenden (und Zeichnenden und Gestaltenden). „Direct2Consumer“ hatte sich hier materialisiert.

Darüber entstand auch ein anderer Rahmen für die eher traditionellen Bereiche, in denen die herkömmlichen Verlage ihre in Größe und Üppigkeit immer wieder verblüffenden Stände sich neu einbetten konnten.

Allein, die Ausdifferenzierung machte gerade darüber aber auch die Bruchlinien viel deutlicher spürbar als anderswo: Die „Buchbranche“, also die so gerne beschworene Gemeinde der Buchmenschen, war längst mehr ein abstrakt wiederholtes Branchenmantra denn eine Realität.

  1. Die Großen und die Kleinen

Die zweimalige Absage der Messe durch Covid-19 hatte den größeren Austellern gezeigt, dass sich der Ausfall des Traditionsevents rein kaufmännisch (und es muss wohl hinzugefügt werden: kurzfristig) sehr gut durch andere, günstigere Maßnahmen auffangen ließ. Die aufwendigen Stände und Selbstdarstellungen waren plötzlich nicht mehr ein hoher Fixposten im Jahresbudget. Denn es gab Alternativen.

In den unvermeidlichen Schuldzuschreibungen nach der Absage waren die Großverlage darüber als Schurken rasch ausgemacht. Tatsächlich waren es wohl Random House und Holtzbrinck (mit den großen Publikumsmarken Rowohlt, S. Fischer, Kiepenheuer, Droemer Knaur), die die Balance der Organisatoren zum Kippen brachten.

Aber wo waren die vielen anderen aus den 80 Prozent, die noch wenige Wochen davor „auf jeden Fall“ dabei sein wollten?

Die Frankfurter Buchmesse hatte im Frühsommer 2020 einen vergleichbaren Punkt der Wahrheit erlebt, als das Management verkündete die Messe trotz Pandemie abhalten zu wollen – und in den Tagen danach von großen Verlagen per Presseaussendung hören musste, diese hätten andere Pläne.

Hier zerfällt die Buchbranche als beschworene Gemeinschaft der Buchmenschen auf offener Bühne in Akteure mit sehr unterschiedlichen Perspektiven – und wohl auch Interessen und Notwendigkeiten.

Es ist in beiden Fällen schwer nachvollziehbar, dass es hier augenscheinlich keinen großen, runden Tisch gab und gibt, an dem alle relevanten Gruppen von (großen wie auch kleineren) Akteuren so eingebunden sind, dass Weichenstellungen für diese Buchbranche verhandelt werden können – und dies dann auch die Verpflichtung inkludiert, diese gemeinsamen Entscheidungen auch öffentlich mitzutragen.

Das Verlagsgeschäft ist gewiss die größte unter den Kulturindustrien, doch am Ende kennt man sich doch recht gut, auch zwischen den Großen und den zahlreichen Kleinen. Die Branchenvertretung gibt überdies mit viel Selbstbewusstsein an, unter einem gemeinsamen Dach alle Beteiligten entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Buchgeschäft zu vertreten. Nun, zumindest alle abgesehen von den Schreibenden und den Lesenden.

Was war hier geschehen?

Das Grundproblem ist jedenfalls nicht spezifisch deutsch.

Aus Frankreich erreicht uns eben die Notiz, wonach beim neu geschaffenen „Festival du livre de Paris“ die Vereinigung der Regionen nicht mitmacht, nicht zuletzt, weil Selbstverlage und selbst verlegende Autorinnen und Autoren nicht zum großen Festival zugelassen werden.

In New York ist nach Jahren der zunehmenden Erosion die größte Business Veranstaltung der Buchbranche, die BookExpo America, de facto eingestellt worden. Immer weniger war den großen Akteuren in der nationalen Book Industry zu vermitteln gewesen, warum sie sich Raum und Aufmerksamkeit mit allen möglichen Anderen aus der vermeintlich gemeinsamen Branche hätten teilen sollen. Lieber arrangierten jene, die es konnten, die Meetings in den eigenen Büros in Manhattan. Da blieb man unter sich.

  1. Die große Drift – wohin?

In der Gemengelage, die zur Absage der Leipziger Buchmesse führte, und noch deutlicher in der nunmehrigen Kontroverse um diese Absage werden Kräfte sichtbar, die weit über die unmittelbaren Auswirkungen der Pandemie hinausgehen.

Unter dem Brennglas der Pandemie wird deutlich, wie Besitzstände, die lange unter dem gemeinsamen und auch bequemen Dach der gemeinschaftlichen Buchbranche gut koexistieren konnten, nun auseinanderdriften.

Dabei geht es nicht allein um die unterschiedlichen Interessenslagen zwischen Handel und Verlagen, zwischen Konzernen versus vielfältige, kleinere Akteure, und dann noch der bedeutenden Gruppe der mittelgroßen Akteure dazwischen, die unter dem sich verschärfenden wirtschaftlichen Wettbewerb es besonders schwer haben sich kenntlich und erfolgreich zu positionieren, jeweils im Handel wie auch bei den Verlagen. Und dann gibt es da noch, als Mega-Player und Konkurrent, Amazon.

Noch gar nicht erwähnt sind dabei die einzigartige Rolle von Leipzig für spezielle Ziel- und Nutzergruppen: Als wichtigster jährliche Begegnungsort für die kleinteilig verästelten Literaturen Zentral-, Ost und Südosteuropas, die Übersetzungsforen, oder – eingangs kurz angesprochen – der ganze Bereich des Selfpublishing, welcher längst aus Sicht der Lesenden mit seinem breiten Fußabdruck die Buchlandschaften mitprägt.

Das alles lässt sich offenbar kaum noch unter einen Branchenhut bringen.

  1. Messe versus Festival versus Platform

Meine größte Verblüffung bei der Absage der Leipziger Buchmesse war das damit einher gehende Aus von „Leipzig Liest“. Weshalb sollten dezentrale Begegnungen zwischen Schreibenden und Lesenden (und Zuhörenden) pauschal nicht stattfinden können? Ohne erst einmal, hier und dort, unter den sehr unterschiedlichen Veranstaltenden nachzufragen. Auch ohne, nach zwei Jahren pandemischer Erprobung, auch kurzfristige Hybrid-Arrangements erst einmal zu bedenken.

Alle – oder zumindest viele – lesen, weil so viele lesen wollen‘, dies wäre gerade vor dem Erfahrungshintergrund der eingangs in Erinnerung gerufenen vielen diversen Gemeinschaften von Lesenden und Schreibenden in Leipzig die näher liegende Entscheidung gewesen.

Aber gab es überhaupt eine entsprechende Gesprächsrunde, die solch eine breite Entscheidung hätte erkunden und erst im weiteren Schritt treffen wollen? Oder müssen wir uns ein Messemanagement vorstellen, das am Ende des Tages in sehr kleiner Besetzung letztlich, mangels ausreichender Zusagen hatte den Daumen senken müssen – und nun riskiert allein alle Verantwortung, also Schuld, aufgeladen zu bekommen?

Anders – und provokanter – gefragt: Sind eine Buchmesse – oder auch ein Lese-Festival – notwendigerweise ein Format, das allein die Veranstalter bestimmen? Sind Messen, viel bescheidener, und wohl auch weniger emphatisch aufgeladen einfach Plattformen?

Eine Plattform hat schafft einen Rahmen für unterschiedliche Nutzungen, mit eher losen Spielregeln, In Leipzig liegt dabei der Fokus auf den Schreibenden und den Lesenden plus die regionale zentraleuropäische Dimension. In Frankfurt geht es um das Buchgeschäft, mit Rechtehandel Vertrieb, Dienstleistungen, Technologie, plus das international sehr relevante Engagement für unzensiertes Publizieren.

Dies hier ist kein Abgesang auf Buchmessen. Aber ich denke, die Zäsur, die die Absage von Leipzig markiert, ist von grundsätzlicher Natur. Sie gilt nicht nur der Messe im März 2022, sondern dem bequemen und pathetisch überhöhten, jedoch aus der praktischen Wirklichkeit von Produzenten wie Konsumenten gefallenen Modell einer ‚alles umfassenden Buchbranche‘.

Reboot Books > „How To Fix What Is Broken“. On increasing efficiency, ‚going direct‘ and better rights trading

In case you have missed the recent online debate at ReBoot Books on April 21st, find here below some key talking points from the discussions – and a 16 minute video excerpt from the panel „In search of the final consumer„.

As a registered member of ReBoot, you can even view the full three sessions in the ReBoot Box!

The day-to-day challenges under pandemic market conditions for a publishing company are adding up to a long list, said Planeta’s CEO Jesús Badenes in his opening statement at the ReBoot online debate on April 21, 2021.

The business has become more complex, with smaller average print runs and other titles gaining in popularity as book buyers‘ references changed. For the head of the largest publishing group in the Spanish language, the key to an efficient management response can be boiled down to a four-letter word: Data.

Having the right data at your finger tips allows to better manage the inventory, finding the right balance between increasing digital products, and using flexible print-on-demand solutions for physical books, which helps to lower returns and make ecommerce more customer friendly.

This allowed Gerd Robertz, CEO of German BOD – a provider of both PoD and of author & self-publishing solutions, and a sponsor of ReBoot – to follow up seemlessly. These same solutions are available not just to big corporations – Planeta’s turnover tops that of New York based Simon & Schuster, or French Editis group. Even small independent publishers or a self-published author can provide the same convenience in fast delivery, and harvest resulting data insights, to develop a strong and targetd marketing.

Publishers and retailers must „build a customer journey„, added Jason Spanos, Chief Revenue Officer at KNK, an internationally leading software provider to the book business, and a sponsor of ReBoot. During the pandemic, KNK particularly focused, with a newly established, dedicated team, on monitoring how quickly customer engagement and habits were changing. „We simulated meetings at libraries, or in coffeeshops, or now in their online social exchanges“ for learning to quickly adapt to new patterns of engagement.

Gaining data, organizing them within one company, or even sharing data more openly that what is common today triggered the subsequent lively debate between both speakers and experienced book professionals in the audience.

Today, said technologist Matt Turner, people interact digitally in order to then buy physical books – or opt for entertainment media instead of a book, like series or games in streaming TV.

Thus publishers must learn to better understand their own products and, as Anne Bergmann of the Federation of European Publishers added, explore the co-existence between sales and streaming services for e-books and digital audiobooks, in order to avoid mistakes that had done great harm to the music and the audiovisual services a decade ago.

Companies need to integrate workflows and data flows within their organization, and not just look at data gained through distributors and retailers, argued Brian O’Leary of the New York based industry think tank BISG.

How all this can be brought to fruition in the day-to-day company life was richly illustrated by Julie MacKay from the American subscription platform Scribd, Peta Nightingale from the British author services platform Bookouture, which had been acquired by Hachette, as well as Rafaela Pechansky of the Brazilian reading community TAG.

How well established in innovative forms to connect and network are seen in the trade of rights and licenses will be summarized in a separate blog post in a few days.

You can’t wait to access the full debates in video recordings – and join us also at the next live event on June 15, 2021, then you should become a full member of ReBoot. Registration is simple at https://rebootbooks.org/

Music or books? Both! Spotify goes audiobooks

Things tend to change quickly these days. In August, publishers across Sweden had a new, transformative customer knocking at their doors – Amazon.

The only surprise was, why that had happened not much earlier. For many years, Amazon had been expected to go into the Swedish online retail market with a dedicated Swedish website, which by now is live.

A few months later, another new entrant is calling, an originally Swedish, now global service for music and podcasts. „Spotify has entered the book industry’s battle for audiobook listeners“, in the word’s of the leading local publishing trade magazine, SVB.

The Spotify announcement is probably as big as the earlier news from Amazon, and not just for Sweden. In these times of profound transformation of everything throughout our societies, the Spotify – audiobook move means simply that an outsider is coming in the ambition to re-invent the one segment where the traditional book business has been growing in recent years, audiobooks.

And Sweden is a very particular market in that regard. It has been pioneering ebooks and audiobooks early on, by making these things different than in other countries. Ebooks were initially an almost exclusive service from libraries. You did not buy an ebook in Sweden, but rented it from your local library.

This opened the path for subscriptions. You don’t need to own that new crime novel, or classic, or educational title. Accessing it, for a modest monthly fee, was good enough.

While in other parts of the world, book people insisted religiously that subscriptions would never work with readers, the Swedish start-up Storytel created  – and in the meantime expanded internatonally – just this, a thriving subscription service for et first ebooks, and then audiobooks. Storyel was one powerful driver, and innovator in the good old book trade.

But the upside-down does not stop there. Spotify, the music company, promises to re-invent the very format of books that you can listen to: „‚We talk about trying to develop the story in different ways, and are quite unlimited in the idea of what it could be‘, says Johan Seidefors, Nordic content manager at Spotify, when he is asked if Spotify makes audio books“, SVB reports today, and Seidefors adds that Spotify „will work to make room for new formats.“ There you go publishers.

Of course this will bring up many tricky questions, starting with how authors‘ compensation will be handled by Spotify, which is challenged regularly for their royalty model from those musicians who are not topping the charts.

And we can, from our own research, clearly predict also that marketing digital works, be they ebooks or, even more so, audiobooks, and again notably those consumed through a streaming or subscription function hugely differently from traditional books. See numbers and charts in our two brand new Digital Consumer Book Barometer studies on German language countries (Germany, Austria, Switzerland), and on Brazil.

We will keep monitoring these developments – so stay tuned, and subscribe to our newsletter, and follow us on Twitter @wischenbart and @rebootbooks .

Why the protest of authors in the Amazon vs. publishers fight opens a new chapter

With the authors stepping into the arena, the current controversy between Amazon and major publishing groups – so far: Hachette and Bonnier – brings into the debate the fundamental quality it deserves. What we are seeing is in fact a watershed moment in the evolution of the digital economy for cultural content.

In an essay, and manifesto, in Perlentaucher (in German), I argue why this is so important, and why 3 lines of action will be needed to maintain a balanced and diverse ecosystem of writing, publishing (plus distribution) and reading:

  • Assure a fair economic context that does NOT play to the advantage of global players against locals (with the new European tax regimes being a good step in the right direction);
  • Reform and adapt copyright to meet today’s cultural consumer practices, by notably introducing a concept of „fair use„, backed up with transparent compensation for authors and other creators of works;
  • Open and encorage not-for-profit environments for the production and dissemination of those works of art and culture that cannot be sustained commercially under today’s circumstances.

A more detailed English summary will follow here.

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